Trainingswoche auf La Palma
Der Dezember ist perfekt, um eine Trainingswoche auf den Kanaren zu absolvieren: Dunkles, graues und nasses Wetter zu Hause, stabil sonniges und warmes Wetter am Zielort und recht günstige Flüge, da so kurz vor Weihnachten kaum jemand Zeit zum Reisen hat. Und so kommt es, dass ich sogar einen preiswerten Direktflug entdecke: Mit Eurowings von Hamburg hin und wieder zurück nach Stuttgart, dazu flexible Rail and Fly Tickets für die Bahn.
1. Tag: Zug nach Hamburg
Einen Tag vor Abflug nehme ich den Zug nach Hamburg. Dort angekommen treffe ich den Deutschen Meister im 24-Stunden-Lauf, Marcel Leuze, zum Mittagessen. Ich kenne ihn von meinem Einsatz als Pacemaker beim Hamburg Marathon im Jahr 2017. Wir quatschen über unsere Pläne für das kommende Jahr, bevor ich den Nachmittag über in einem nahegelegenen Cafe ein paar Sachen am Notebook abarbeite. Abends geht es mit meinem früheren WG-Mitbewohner Rene und seiner Freundin Sina zum Essen. Danke euch nochmal für das bequeme Nachtlager!
Ein Problem gibt es allerdings: Schon seit 2 Wochen war ich wegen Verdacht auf einen Ermüdungsbruch in der Hüfte nicht Laufen. Zwar ist schmerzfreies Auftreten inzwischen wieder möglich, aber das unangenehme Gefühl bleibt. Deshalb ist die Reiselust ehrlich gesagt eher im Keller und ich würde lieber gleich zu Hause bleiben. Andererseits bringen eine neue Umgebung und viel Sonne und Natur immer auch ganz gute Effekte für die Regeneration. Also mal schauen.
2. Tag: Anreise nach El Paso
Ich muss zeitig aufstehen und nehme die S-Bahn zum Flughafen. Mit zwei freien Sitzen auf meiner 3er-Reihe fliege ich nach Santa Cruz auf La Palma. Vor Ort nutze ich das recht gut funktionierende Bussystem, um zu meiner Unterkunft nach El Paso zu kommen.
Am Nachmittag ist noch etwas Zeit, um im nahegelegenen Supermarkt einzukaufen und mit einigen anderen Gästen zu quatschen, darunter Roger auf Spanien und Kathryn aus den USA. Abends gibt es ein Get Together auf der Dachterrasse mit einer recht begabten Sängerin als Überraschungsgast. Sie hatte am Tag zuvor einen Auftritt in der Nähe und nutzt die Feier wohl zum „Runterkommen“.
3. Tag: La Cumbrecita Wanderung
Was ist das Wichtigste beim Regenerieren? Richtig, Schlaf. Also erstmal schön ausschlafen. Nach dem Frühstück breche ich mit Roger und Kathryn per Taxi zum Mirador de la Cumbrecita auf. Dieser bekannte Aussichtspunkt liegt auf rund 1400 Metern Höhe und lässt mich zum ersten mal staunen, wie genial die Landschaft oben im Caldera Nationalpark ist.
Wir wandern eine lockere Runde bei bestem Wetter und machen dann in der Mittagspause Bekanntschaft mit einem Touristen-Raben. Von diesen Tieren werde ich auf der Insel noch mehrere treffen. Zu Fuß geht es dann bergab zurück bis zur Unterkunft, inklusive kleiner Mandel- und Feigen-Ernte unterwegs. Abends bekomme ich Kopfschmerzen und gehe zeitig ins Bett. Aber egal, Hauptsache keine Schmerzen in der Hüfte, ein gutes Zeichen oder?!
4. Tag: Radrunde im Süden
Heute hole ich für insgesamt 3 Tage das vorab gebuchte Rennrad in Puerto Naos ab. Leider verpasse ich in Los Llanos den Bus und muss eine Stunde warten. Die Zeit lässt sich aber gut nutzen, um in Ruhe einen Kaffee zu trinken, Social Media zu checken und einige Nachrichten zu versenden.
Nach Abholen des Rads fahre ich die Runde nach Süden über Los Canarios, den Vulkan San Antonio und runter bis zum Leuchtturm. Auf dem Rückweg halte ich am Supermarkt und bekomme einen Schreck, als ich mein Portmonee nicht finde. Zum Glück entdecke ich es draußen auf der Straße neben dem Rad, wo es mir wohl vorhin aus dem Rucksack gefallen war. Puh…
Auf dem Rückweg geht es im Osten der Insel wieder in Richtung Norden. Unterwegs sehe ich einen ziemlich heftigen Autounfall, der gerade erst passiert war – schon zum dritten Mal dieses Jahr. Man muss echt immer froh sein, wenn alles gut geht. Zurück zur Unterkunft geht es noch über einen 1000-Meter-Anstieg nach El Pilar, der sich als recht steil und anstrengend herausstellt. Mein unterer Rücken macht etwas Probleme, ähnlich wie bei der langen Radtour nach Auerswalde, sodass ich so locker wie möglich fahre. Bis kurz nach Sonnenuntergang schaffe ich es zurück nach El Paso, perfektes Timing!
5. Tag: Radtour auf den höchsten Berg
Morgens wache ich auf und fühle mich gut. Keine Hüftschmerzen, keine Rückenschmerzen, fast wie in jungen Jahren 🙂
Geplant ist die große Runde über den höchsten Berg der Insel, den Roque de Los Muchachos. Um den (erneuten) Umweg über El Pilar zu vermeiden, fahre ich verbotenerweise durch den Autotunnel, was eigentlich kein Problem ist – zum einen geht es leicht abwärts, sodass man recht schnell durch ist, und zum anderen habe ich sogar ein kleines Licht dabei. Später erfahre ich, dass die Polizei das nicht so locker sieht und man von Glück reden kann, nicht erwischt zu werden…
Kurz darauf beginnt der Anstieg um mehr als 2000 Höhenmeter bis hoch zum Berg. Fast 3 Stunden fahre ich diese Straße hinauf. Ein geniales Erlebnis, Stück für Stück die Veränderung der Umgebung mitzubekommen. Oben angekommen schaue ich kurz beim Observatorium vorbei, laufe vor bis zur Aussichtsplattform und schieße natürlich ein paar Erinnerungsfotos. Erstaunlich ist, dass auch hier (wieder mal) gefühlt mehr als die Hälfte aller Touristen aus Deutschland kommen.
Nach der Abfahrt halte ich am Aussichtspunkt Mirador de El Time. Von hier aus kann man über Los Llanos hinweg bis auf die Bergkette schauen, über die heute die Wolken in fantastischer Art und Weise „hinweg fließen“. Ein genialer Anblick!
6. Tag: Wanderung in der Caldera
Die beiden großen Touren sind abgehakt, der Norden der Insel ist mir zu weit weg, also bleibt nur eine Fahrt zum Caldera Nationalpark. Ich parke das Rad unten am Flussbett und mache eine längere Wanderung, um zu schauen, was die Hüfte „sagt“. Der erste Stopp ist nach knapp 2 Stunden am Ende des Trails beim Cascada de Colores Wasserfall. Auch die Hüfte spielt wieder mit.
Dann geht es weiter bergauf durch herrliche Landschaft bis zum oberen Ende der Straße, auf der ich heute morgen angekommen bin.
Bergab macht es auf der Straßen allerdings wenig Spaß zu wandern, weshalb ich mich umso mehr freue, als mich ein netter Spanier den Rest der Strecke mit dem Auto mitnimmt.
Abends gebe ich das Rad wieder ab und nehme den Bus zurück zur Unterkunft. Wenn alles gut geht, stehen nun ein paar schöne Wandertage an. Ein Radfahrer in der Unterkunft erzählt mir später noch eine Horrorgeschichte von seinem üblen Sturz mit kompliziert gebrochenem Becken vor 2 Jahren. Diese Story verschafft mir wieder mal eine krasse Perspektive, wie viel schlimmer die Dinge sein könnten als ein (im Vergleich dazu fast schon lächerlicher) Ermüdungsbruch.
7. Tag: Transvulcania südlicher Teil
Jedes Jahr im Mai findet auf La Palma der berüchtigte Transvulcania Ultralauf statt. Mein Ziel für die letzten 2 Tage ist es, den größten Teil der Strecke abzuwandern und mir ein Bild davon zu machen.
Also zeitig raus und mit dem Bus nach Los Canarios im Süden. Die erste steile Rampe unten vom Leuchtturm spare ich mir, außerdem wird wegen der Hüftprobleme nicht gerannt, sondern wirklich immer nur gewandert. Und das dauert länger und ist beschwerlicher als gedacht! Der Trail ist steil, technisch anspruchsvoll und teils abschüssig. Doch die Landschaft entschädigt für alles, es ist einfach atemberaubend.
Wer den Transvulcania Trail wirklich rennen möchte, sollte sich die Umgebung aber lieber nicht genauer anschauen, sondern bei jedem Schritt darauf achten, wo er hin tritt.
Ich gehe nach El Pilar noch etwas weiter entlang der Bergkette und dann hinunter nach El Paso zum Übernachten.
8. Tag: Transvulcania nördlicher Teil
Heute geht es sehr zeitig los, um den zweiten Teil der Strecke zu schaffen. Im Dunklen laufe ich den Weg von gestern Abend wieder zurück bis hoch zum Transvulcania Trail auf 1400 Metern. Unterwegs frage ich mich, ob das alles nicht schon wieder viel zu viel Belastung ist und es wieder Hüftprobleme geben wird. Also alle paar Kilometer kurze Pause, hinsetzen und etwas Stretching.
Der Trail ist heute noch schwieriger und technischer als gestern. Kaum zu glauben, dass man hier tatsächlich sturzfrei rennen kann?! Es geht hinauf bis zum Roque de Los Muchachos und dann zunehmend steil bergab, was mir für ein Rennen fast unlaufbar erscheint. Mein Respekt für den Transvulcania Ultra ist jetzt jedenfalls bei 100%.
Weiter unten sehe ich einen Kaktus mit schönen roten Kaktusfeigen. Die Idee, eine davon zu pflücken, stellt sich als wenig clever heraus: Plötzlich stecken unzählige kleine Stachel in meinen Händen, die noch 1-2 Tage später jucken werden. Und noch dazu war meine auserwählte Kaktusfeige alles andere als reif…
Kurz vor dem Aussichtspunkt bei El Time mache ich noch Bekanntschaft mit frei laufenden Hunden. Also lieber die letzten Kilometer mit großem Stein in der Hand wandern, man weiß ja nie. Der Transvulcania Trail geht eigentlich noch etwas weiter, aber am Aussichtspunkt ist bereits Sonnenuntergang und ich nehme den Bus zurück nach El Paso. Immerhin waren es 40 schwierige Kilometer heute, und ich bin mehr als froh, dass es schmerzfrei geklappt hat. Jetzt kommen erstmal ein paar Ruhetage.
9. Tag: Flug nach Stuttgart
Das war’s leider schon wieder, eine Woche ist schnell rum. Checkout, Bus zum Flughafen und ab zurück in die Kälte. Mit einem Haufen Fußballfans fahre ich von Stuttgart im Zug zurück nach Würzburg. Ein klares Zeichen, dass ich zurück in der Realität in Deutschland bin.