Veganer Erfolg im Triathlon – Interview mit Kraichgau-Sieger Markus Rolli
Es gibt Sachen, die kann man kaum glauben. Eigentlich ist man ja als Triathlet einiges gewohnt (und nicht selten selbst verrückt). Aber Markus Rolli, den ich dieses Jahr im Trainingscamp auf Zypern kennengelernt habe, stellt alles in den Schatten.
Markus schaffte bei unserem Bananen-Wettessen 51 Stück. Die Leute aus der Küche im Hotel sind ganz schön ins Schwitzen gekommen, um genug Grünzeug für ihn aufzutreiben. Sie nennen ihn ehrfürchtig „Banana Man“. Zum Glück hat er sich für die Radtouren insgesamt 4 Kilo (!) Datteln mitgebracht, die er unterwegs Stück für Stück verspeiste.
Bisher war ich der Meinung, dass es als Veganer im Leistungssport schwierig wird. Da lag ich wohl ziemlich daneben. Markus ist einer der stärksten von uns hier im Trainingslager. Die Erfolge, die er unter anderem durch seine Ernährung erzielt hat, sind beeindruckend. So konnte er im letzten Jahr zum Beispiel die olympische Distanz bei der Challenge Kraichgau gewinnen – und zwar mit riesigem Vorsprung von mehr als 7 Minuten. [1]
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Marko: Du hast morgens und abends Unmengen Obst und Gemüse vertilgt. Wie schaffst du es, so viel zu essen?
Markus: Ich habe schon immer gern und vor allem viel gegessen. Früher war ich Vegetarier und habe auch mal 15 Eier oder 1 Kilo Fisch verspeist. Heute eben kiloweise Obst und Gemüse. Ist alles eine Trainingsfrage (lacht).
Marko: Kannst du in etwa sagen, wieviele Kalorien es am Tag hier im Trainingscamp sind?
Markus: Ich habe mal eine zeitlang grob mitgerechnet, wieviele Kalorien ich aufnehme. Ungefähr 5000 bis 6000 Kalorien kommen hier am Tag sicher zusammen. Ohne das viele Training kann es aber schon sein, dass ich ein bisschen an Gewicht zulegen würde.
Marko: Wie hoch sind die Anteile von Obst und Gemüse?
Markus: Das ist ganz unterschiedlich. Gemüse macht schneller satt, hat aber weniger Kalorien. Nach dem Training esse ich daher lieber erstmal Obst, um genügend Energie zu bekommen und die Speicher wieder aufzufüllen, vor allem nach den langen Einheiten hier im Trainingslager. Außerdem ist Obst viel schneller fertig zum Essen, da braucht es keinen großen Aufwand. An ruhigeren Tagen esse ich dann auch mehr Gemüse.
Marko: Wie bist du auf die Idee gekommen, dich vegan zu ernähren?
Markus: Ich war schon immer Vegetarier. Im Sport hatte ich aber über die Jahre immer mal wieder mit Verletzungen zu kämpfen, vor allem beim Laufen (Knochenhautentzündung, Oberschenkel kurz vor Ermüdungsbruch). Ich wollte daher mal ausprobieren, ob es besser wird, wenn ich Milchprodukte weglasse. Das war Ende 2013. Etwas später habe ich dann auch aufgehört, Fisch und Eier zu essen.
Marko: Welche Veränderungen sind dir aufgefallen, seit du dich vegan ernährst?
Markus: Nachdem ich Milchprodukte vom Speiseplan gestrichen hatte, fühlte ich mich schnell deutlich besser und fitter. Auch hatte ich seitdem keine Verletzungen mehr und war trotz teils hoher sportlicher Belastungen praktisch nie krank. Das Weglassen von Fisch gab keine große Veränderung, aber insgesamt ging es mir dadurch eher noch etwas besser. Die vegane Ernährung gibt mir ein besseres Feeling im Alltag. Ich bin früher morgens manchmal schlecht wach geworden und brauchte erstmal einen Kaffee – heute bin ich den ganzen Tag über fit und habe keine Zwischentiefs mehr. Außerdem regenriere ich nach dem Training schneller. Und ohne die Verletzungen und Erkältungen konnte ich bis auf 2 oder 3 Tage komplett durchtrainieren und mich so sehr konstant verbessern.
Marko: Wann und wieviel isst du normalerweise über den Tag?
Markus: Ich esse morgens, mittags und abends richtig große Portionen. Nachmittags vor dem Training dann meist nochmal eine kleine Portion Obst oder Trockenfrüchte. Wenn ich arbeite, nehme ich entweder etwas mit oder esse einen großen Salat in der Kantine. Zuhause habe ich einen Mixer, mit dem schnell und einfach ein Shake bzw. Smoothie zubereitet ist. Ich setze verstärkt auf Kohlenhydrate und esse wenig Fette, auch wenig Pflanzenfette. Ausreichend Protein nehme ich einfach über die hohe Menge an Essen mit auf. Obst ist ja recht vollwertig, sodass ich gut mit essenziellen Aminosäuren versorgt bin. Nur einkaufen muss man eben immer eine ganze Menge…
Marko: Gibt es irgendwelche Nachteile, die dir bei deiner veganen Ernährung aufgefallen sind, oder musst du auf etwas verzichten?
Markus: (lacht) Nun ja, zunächst einmal werde ich überall komisch angeschaut, wenn ich soviel Obst und Grünzeug esse. Die Leute halten einen für verrückt. Außerdem brauche ich viel Zeit zum essen. Ansonsten fallen mir aber keine Nachteile ein.
Marko: Brauchst du als Veganer im Leistungssport irgendwelche Nahrungsergänzungen?
Markus: Das einzige, was ich nehme, ist Vitamin B12, was ich in der erforderlichen Menge aus der veganen Ernährung so nicht aufnehmen kann. Das war’s aber auch schon. Früher habe ich Proteinpulver genommen, aber heute auch nicht mehr. Ich denke, dass uns die Industrie nur glauben macht, dass wir das brauchen. Ebenso nehme ich nur im Ausnahmefall mal einen Riegel oder Gel, meist vertrage ich das nicht so gut. Statt dessen esse ich lieber Trockenobst. Letztes Jahr bei meinem Sieg in Kraichgau habe ich einfach Zuckerwasser getrunken. Allerdings muss ich mal schauen, wie es energetisch dieses Jahr auf der deutlich längeren Mitteldistanz läuft.
Marko: Wie oft, wie viel und wie intensiv trainierst du?
Markus: Seit November 2014 habe ich einen Trainer. Seitdem gehe ich ziemlich strukturiert vor. Zuvor lief es eher nach Lust und Laune, wobei ich vor allem im Winter verstärkt Krafttraining gemacht habe und weniger Ausdauer. Momentan schwimme ich meist 2 Mal pro Woche je rund 3-4 km, laufe 2-4 Mal überwiegend Grundlagen-Tempo mit einem langen Lauf (90 bis 120 Minuten) alle 2 Wochen und fahre 1-2 Mal pro Woche Rad bzw. mache Spinning, wobei am Wochenende oft eine längere Einheit von bis zu 3 Stunden ansteht, möglichst draußen. Dazu 1 Mal pro Woche Krafttraining mit Kniebeugen und Kreuzheben und zusätzlich Rumpfstabi-Übungen. Aus meiner Kraft kann ich im Ausdauerbereich viel Leistung abrufen.
Marko: Von den Umfängen her ist das noch überraschend moderat. Wie schaffst du dann den Sprung, hier im Trainingslager in 2 Wochen mehr als 1000 km zu fahren?
Markus: Wenn ich einfach beim Radfahren regelmäßig viel esse, kann ich praktisch ewig fahren. Schwimmen fällt mir recht leicht, da ich früher Schwimmer war. Und Laufen ist ja überwiegend im Grundlagen-Bereich, daher geht das auch ganz gut.
Marko: Was war dein bislang größter Erfolg?
Markus: Nach außen hin sicherlich mein Sieg letztes Jahr bei der olympischen Distanz im Kraichgau. Für mich persönlich war vor 3 oder 4 Jahren ein Liga-Rennen in Baden-Württemberg ein großer Erfolg, als ich völlig überraschend auf Platz 4 kam und sogar ein paar Profis abhängen konnte. Ebenfalls war mein überraschender 3. Platz letztes Jahr beim Trail-Marathon in Heidelberg ein großer Erfolg – obwohl ich zu spät am Start war und das Feld von hinten aufrollen musste. Ich war in den Wochen zuvor mit dem Rucksack in Thailand unterwegs und bin dort manchmal bis zu 20 km bergauf gerannt, was ein super Training war. Jetzt passt mein Trainer aber auf, dass ich solche Experimente nicht mehr mache (lacht).
Marko: Gibt es ein paar Bücher, die du empfehlen kannst?
Markus: Ja, zum einen ein eher allgemeines Buch über vegane Ernährung von Thomas Campbell, „The China Study“ [2]. Außerdem kann ich allen Sportlern die beiden Bücher „Vegan in Topform“ von Brendan Brazier [3] und „Finding Ultra“ von Rich Roll [4] empfehlen.
Marko: Was machst du eigentlich im normalen Leben?
Markus: Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert und arbeite seit Herbst 2014 in der IT-Abteilung einer Bank.
Marko: Was sind deine Pläne für die nächsten 1-2 Jahre?
Markus: Ich will mich weiterhin auf Triathlon fokussieren und dieses Jahr erstmals eine Mitteldistanz in Angriff nehmen, und zwar beim Ironman 70.3 im Kraichgau. Und ich möchte gern weiterhin Spaß am Sport haben und schauen, was ich mit meiner veganen Ernährung noch alles erreichen kann.
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Quellen:
[1] Mika Timing, Ergebnisse Challenge Kraichgau 2014, Einzelwertung – 1,5km / 40km / 10km, https://kraichgau.r.mikatiming.de/2014/?pid=list
[2] Campbell, T. / Campbell, T. C. (2006), The China Study: The Most Comprehensive Study of Nutrition Ever Conducted And the Startling Implications for Diet, Weight Loss, And Long-term Health, BenBella Books.
[3] Brazier, B. (2013), Vegan in Topform – Der vegane Ernährungsratgeber für Höchstleistungen in Sport und Alltag – Die Thrive-Diät des berühmten kanadischen Triathleten, Unimedica.
[4] Roll, R. (2012), Finding Ultra: Rejecting Middle Age, Becoming One of the World’s Fittest Men, and Discovering Myself, Crown Archetype.
Sehr interessantes Interview – antizyklisches Denken und Disziplin sind nicht nur an der Börse das A und O 😉
PS Als Skeptiker empfehle ich folgenden Link zum Thema „China Study“: https://euleev.de/video/458-udo-pollmer-die-china-study-missbraucht-fuer-vegane-zwecke
Hey David, danke für den Hinweis. Er bezieht sich ja bei der Kritik vor allem auf die Sterblichkeit und Krebserkrankungen, der Rest könnte also ebensogut stimmen. Selbst wenn in der echten China Study kein Zusammenhang mit der Fleisch- / Fettaufnahme besteht, kann ich mir vorstellen, dass eine bewusste (vegan hin oder her) Ernährung die Risiken ganz deutlich senkt.