DNF – Did Not Finish
Das war es also. Mein erstes Rennen mit der Deutschen Nationalmannschaft auf internationaler Bühne. Die Europameisterschaft im 24-Stunden-Lauf.
Leider endete es als große Enttäuschung. Denn nach 105 km musste ich mit einer Verletzung aussteigen.
Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen?
Ein Blick zurück
Bei dem sehr guten Rennen in Bottrop im Mai hatte ich die Norm für das deutsche Team erfüllt. Doch „eigentlich“ hatte ich gar nicht vor, im September in Verona zu starten. Denn Michaela und ich erwarteten für Ende Juni unser Baby. Es würde eine ganze Weile drunter und drüber gehen, sodass strukturiertes Training schwierig wird. Aber nach einigem hin und her und etwas Bedenkzeit sagte ich zu. Allzu viel von meiner Form würde ich bis dahin nicht verlieren, so die positive Sichtweise.
Im Juni begann ich wieder mit dem Training und kam bis Monatsende auf moderate 340 km, was als Einstieg passabel war. Doch nach der Geburt wurde es schwierig. Viel Geschrei, wenig Schlaf, mein Job und die neue Rolle als Hausmann forderten ihren Tribut. Ich lief weniger als im Vormonat und regenerierte schlechter. Das war rückblickend der anstrengendste Zeit.
Anfang August hatte Micha dann den Dreh raus, wie es mit dem Baby funktioniert. Und ich zog nachts mit der Matratze ins Wohnzimmer für bessere Regeneration. Jetzt war alles wieder halbwegs im Lot und ich konnte hohe Umfänge laufen.
Zu viel gewollt?
Innerhalb von vier Wochen spulte ich fast 800 km ab. Eigentlich kann ich das, und im April hatte es mit rund 750 km auch sehr gut geklappt als Vorbereitung für Bottrop. Aber diesmal war der Sprung vom niedrigeren Niveau der beiden Vormonate wohl einfach zu groß, denn mein Körper hatte die Anpassungen vom April inzwischen wieder vergessen. Und so kam es, dass ich zwei Wochen vor dem Wettkampf mit einer entzündeten, berührungsempfindlichen Achillessehne dastand.
Bis dahin hatte ich noch nie Probleme mit der Sehne. Deshalb habe ich es wohl auch zu spät festgestellt, nachdem es zuvor sicherlich schonmal gezwickt hatte. Ein paar Tage lief ich noch mit stark reduziertem Umfang, da die Schmerzen über Nacht oft deutlich nachließen. Aber als die Sehne nach nur 20 km schon wieder schmerzhaft war, entschied ich mich für eine komplette Laufpause. Das war eine Woche vor dem Wettkampf, und rückblickend leider zu spät…
Das Rennen
Verona, 17. September. Nach sintflutartigem Regen in der Nacht findet der Start am Vormittag zunächst im Regen statt. Ich habe also erstmal andere Sorgen als die Sehne, und zwar möglichst trockene Füße zu behalten. Also laufe ich die ersten zwei oder drei Stunden in Trailschuhen, mein einziges wasserdichtes Gore-Tex-Paar. Als die Strecke sicher trocken bleiben soll, wechsle ich in normale Laufschuhe.
Schon recht früh spüre ich, dass irgendetwas nicht richtig rund läuft, aber habe kaum nennenswerte Schmerzen. Die Achillessehne fühlt sich zwar merkwürdig an, aber scheint mitzuspielen. Also drehe ich weiter meine Runden. Der Kurs beinhaltet eine 180-Grad-Kehre, mehrere 90-Grad-Kurven und eine schiefe, nach innen abfallende Passage. All das ist wohl zusätzlich ein Problem für Läufer wie mich, die schon angeschlagen sind.
Der Abbruch
Etwas mehr als neun Stunden geht es gut. Doch dann schießt plötzlich wie aus heiterem Himmel ein stechender Schmerz in die linke Innenseite meines Knies. Ich bremse sofort auf Schritttempo ab und dehne mich ein paar Sekunden, aber es wird dadurch nur noch schlimmer. Intuitiv weiß ich in diesem Moment, dass das Rennen vorbei ist. Der Schmerz war zu plötzlich, zu heftig, zu akut, als dass man es irgendwie beheben kann.
Am Teamzelt halte ich für Salbe, Ibuprofen und aufmunternde Worte. Doch als ich versuche, wieder loszulaufen, ist der Schmerz im Knie noch stärker. Laufen ist unmöglich, und selbst Gehen wird zum Humpeln. Nur mit fast gestrecktem Knie komme ich langsam gehend vorwärts und drehe so noch eine ganze Runde, da der Rennarzt gerade nicht vor Ort ist.
Dann folgt die Untersuchung am Streckenrand. Der Arzt sagt, dass das Innenband am Knie betroffen ist. Ob gezerrt oder angerissen weiß ich nicht, aber das ist jetzt auch egal. Als der Arzt feststellt, dass auch die Achillessehne entzündet ist, sagt er gleich, dass das alles zusammenhängt. Allen ist klar, dass ich aussteigen muss. Das wars.
Fazit
Jeder Läufer ist früher oder später mal verletzt. Aber gerade bei einem wichtigen Rennen, in dem man das Team nicht im Stich lassen möchte, ist es besonders bitter. Noch schlimmer wäre nur DNS (Did Not Start) gewesen. Doch kurz vor dem Rennen war ich relativ zuversichtlich, dass es klappen könnte.
Es wird jetzt sicherlich ein paar Wochen dauern, mich körperlich und mental komplett zu erholen. Scheinbar ist die ganze linke Seite irgendwie beschädigt. Tatsächlich hatte ich ein paar Wochen zuvor auch Schmerzen in der Hüfte auf der gleichen Seite, die sich aber wieder gebessert hatten. Hängt das alles zusammen? Ich hoffe, dass ein Besuch beim Osteopath eine gute Idee bringt, woran es genau liegt.
Herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle jedenfalls an das deutsche Frauenteam, das mit sehr starken Einzelleistungen auf Platz 3 landete. Und ebenso an meine Teamkollegen bei den Männern, allen voran Michael, der einen neuen Altersklassen-Weltrekord lief. Das Gesamtrennen dominierte wie erwartet Aleksandr Sorokin, der mit unglaublichen 319 km seinen eigenen Weltrekord um rund zehn Kilometer verbesserte! Der Mann läuft in einer ganz eigenen Liga und gilt schon jetzt als bester Ultraläufer aller Zeiten.
Hier ein ausführlicher Bericht zum Rennen aus deutscher Sicht. Und hier die offiziellen Ergebnisse.