Trainingswoche auf Madeira
Der Januar ist kalt in Deutschland. Deshalb geht es für eine Woche nach Madeira. Die Insel liegt nördlich der Kanaren und gehört zu Portugal. Etwas kritisch ist es dort zwar wegen der häufigeren Niederschläge im Winter, aber letztlich hatte ich dann doch Glück.
1. Tag: Flug nach Funchal
Mit dem Flixbus geht es von Würzburg nach Nürnberg, ab in die U-Bahn und schon ist man am Flughafen. Ich habe eine günstige Verbindung mit Germania direkt nach Funchal gebucht. Wie immer bin ich mehrere Stunden vor Abflug am Terminal und kann einige Stunden am Notebook arbeiten. Das gleiche dann während des Flugs. Ich bin überrascht, dass es sogar eine warme Mahlzeit (auf Nachfrage auch zwei Portionen) und Getränke gibt, das hatte ich nicht erwartet.
Der Landeanflug auf Madeira ist recht spektakulär. Man sieht schon aus der Luft, dass es kaum gerade Flächen auf der Insel gibt. Selbst die Landebahn ist etwa zur Hälfte auf Stelzen gebaut und im Anflug kommt man den Häusern erstaunlich nah. Ich habe wieder mal nur Handgepäck dabei und bin schnell aus dem Terminal raus. Schnell noch bei einem Kaffee Nachrichten übers Handy abrufen und dann geht es auch schon mit dem Bus nach Funchal. Oben in den Berghängen sehe ich einige dunkle Wolken hängen und frage mich, ob die Radtouren hier wirklich eine gute Idee sind.
Meine Unterkunft für zunächst vier Nächte ist das Santa Maria Hostel direkt im Zentrum. Alles super hier. Es gibt sogar jeden Tag einen frischen Kuchen für alle, heute Carrot Cake – genau nach meinem Geschmack. Ich drehe eine Joggingrunde durch die Stadt, um etwas Orientierung zu finden und dann ist es auch schon dunkel. Ich quatsche noch mit Sebastian, einem Trailrunner aus Polen, der aber momentan in Manchester lebt und Mario, einem älteren Portugiesen, der aber kaum Englisch kann. In den nächsten Tagen wird er überwiegend per Google Translate mit mir kommunizieren.
2. Tag: Fahrt auf den Berg und zum Ostzipfel der Insel
Ich folge meinem Rhythmus von zu Hause und stehe zeitig auf. Erstmal in Ruhe etwas Arbeit am Notebook und dann zum Frühstück, das besser als erwartet ist. Anschließend jogge ich zum Radladen Freeride, wo ich bereits von zu Hause ein Rennrad für 3 Tage gemietet habe. Ich bekomme ein 56er Specialized mit Q-Rings als vorderes Kettenblatt.
Da das Wetter heute erstaunlich gut ist, entscheide ich mich, gleich Nägel mit Köpfen zu machen. Von Funchal aus geht es nonstop steil bergauf bis zum Pico do Areeiro (1800+ Meter). Mein Schnitt liegt irgendwo bei 10 km/h. Es ist zwar nur der dritthöchste Berg der Insel, aber kaum niedriger als die beiden anderen und außerdem der höchste per Straße zugängliche Berg. Auf den letzten Kilometern sehe ich einige vereiste Stellen auf der Straße, die mir verdeutlichen, dass das Wetter hier oben nicht jeden Tag so gut ist.
Etwas gefährlich wird es allerdings auf der Abfahrt. Nicht wegen der vereisten Stellen, die hatte ich mir gemerkt. Zum einen sind es die ungewöhnlich spitzen, quer über die Straße verlaufenden Abflussgitter, die ausschauen, als könnte man sich dort hervorragend auf beiden Laufrädern einen Platten fahren. Bei fast allen schaffe ich es, rechtzeitig vorher runterzubremsen und dann darüber zu laufen, doch einmal kommt das Gitter zu plötzlich. Ich versuche noch schnell, mit dem Rad etwas zu springen und habe Glück, nichts passiert. Kurz darauf wird es aber nochmal ganz unerwartet gefährlich: Am Rand stehen einige Schafe und fressen Gras. Autos sind sie ja gewöhnt, aber als ich mit dem Rad komme, erschrecken sie und rennen wie wild kreuz und quer. Ich habe auch hier Glück, dass mich keines der Tiere umrennt.
Ich fahre bergab über Santo Antonio Da Serra und Machico in Richtung des Ostzipfels der Insel. Der dortige Ponta de Sao Lourenco markiert einen guten Startpunkt für kurze Wanderungen mit super Aussicht, was ich aber heute zeitlich auf keinen Fall mehr schaffe. Nebenan ist auf einer Anhöhe auch ein Aussichtspunkt, von dem man direkt die Nachbarinsel Porto Santo sehen kann.
Ich fahre weiter über die Südostseite der Insel, um zurück nach Funchal zu gelangen. Diese scheinbar kurze Strecke zieht sich ewig hin, da man auf der Schnellstraße mit dem Rad nicht fahren darf und die Umgehungsstraßen ständig kreuz und quer (und hoch und runter) verlaufen. Kurz vor Ankunft werde ich dann auch noch von einem Hund attackiert. Etwa zum Sonnenuntergang bin ich endlich da. In der Unterkunft dann der Rhythmus, der von nun an fast jeden Tag identisch abläuft: Kuchen essen, einkaufen, große Portion Obst, Gemüse und Brot zum Abendessen und am Küchentisch mit den anderen Gästen quatschen.
3. Tag: Königsetappe
Zeitig raus, Arbeit am Notebook, Frühstück. Das Wetter ist wieder gut heute, also nicht wie los. Ich fahre heute nach Westen entlang der Küste hoch zur Aussichtsplattform in Cabo Girao. Auf der kleinen Straße nach oben ist es zweimal so steil, dass ich absteigen und schieben muss, und es gibt auch wieder eine Hundeattacke. Dafür entlohnt aber der super Blick von der rund 600 Meter hohen Steilklippe nach unten.
Weiter geht’s bergab bis nach Ribeira Brava und von dort nach Norden Richtung Berge. Ich fahre lieber nicht durch den langen Tunnel und nehme die Umgehungsstraße über den Bergpass auf rund 1000 Meter Höhe. Auf der anderen Seite der Insel geht es dann genauso steil wieder bergab und ich komme in Sao Vicente an. Hier ist gleich zu erkennen, dass an der Nordküste der Insel ein raueres Klima und eine ordentliche Brandung herrscht.
Von hier aus fahre ich entlang der Küste nach Osten. Die Strecke bis Faial, die auf der Karte gar nicht weit aussieht, sieht sich ewig hin und es geht dabei ständig rauf und runter. Die Landschaft sieht hier entsprechend toll aus. Allerdings ist es jetzt schon Nachmittag und ich beginne zu rechnen, ob es wohl noch lange genug hell ist, um es bis zurück zu schaffen.
Von Faial aus geht es dann den finalen Berg hoch zum Pass auf 1400 Metern. Dorthin war ich gestern schon von der anderen Seite hinaufgefahren. An diesem Anstieg bin ich langsam platt von den unzähligen Höhenmetern heute. Angekommen auf rund 800 Metern mache ich einen Zwischenstopp beim Aussichtspunkt Mirador de Balcoes, der aber nicht so gut wie erwartet ist. Dann gönne ich mir ausnahmsweise eines meiner „Not-Gels“, die ich zum Glück immer dabei habe. Sehr schön fühlt es sich dann an, durch den geheimnisvollen Lorbeerwald (beginnt etwa ab einer Höhe von rund 1000 Metern) weiter nach oben in die Wolken hineinzufahren.
Als ich endlich den Pass erreiche, ist es schon nach 18 Uhr. Die Luft ist kalt und Nieselregen hat eingesetzt. Von nun an geht es aber nur noch bergab bis Funchal. Weiter unten auf der Abfahrt lichten sich die Wolken wieder und ich sehe noch kurz den Sonnenuntergang. Zurück in der Unterkunft bin ich ziemlich ausgekühlt und gönne mir erstmal eine heiße Dusche, bevor das „Abendprogramm“ (Ablauf wie an Tag 2) startet. Dann fix und fertig ins Bett.
4. Tag: Fahrt nach Curral das Freiras
Nach der Hammer-Etappe gestern schlafe ich heute mal aus. Es ist der dritte und letzte Tag mit dem Rennrad, doch heute ist das Wetter eher durchwachsen. Ich fahre kurz beim Radladen vorbei und lasse den Vorderreifen checken, der etwas porös aussieht, aber alles in Ordnung soweit.
Ich entscheide mich, eine Tour zum „Tal der Nonnen“ zu unternehmen. Dies ist ein kleiner, entlegener Ort zwischen den Berggipfeln, in dem sich früher die Menschen vor den Piraten versteckten. Es ist nicht allzu weit, aber wieder mal steil und heute auch recht kühl. Zudem setzt immer mal wieder Nieselregen ein. Oben am Pass auf rund 900 Metern entscheide ich mich, durch den Tunnel zu fahren, der in diese Richtung bergab verläuft. In Nullkommanichts bin ich die 2,5 km hindurchgefahren.
Unten im Tal sehe ich den verwinkelten Ort. Auf der Abfahrt merke ich schnell, dass es hier kühler und windiger ist als auf der anderen Seite des Berghangs. Bis auf rund 400 Meter geht es hinunter in den Ort, wo es dann aber nichts weiter zu sehen gibt. Eigentlich ist nur die Aussicht von oben sehenswert. Zum Dank für den Besuch im Tal habe ich auf dem Weg nach oben wieder zwei Hunde am Hals. Ich bin grundsätzlich Tierfreund, aber hier auf der Insel sind die Viecher echt eine Katastrophe!
Für den Rückweg nehme ich die alte Straße über den Berghang. Diese ist wegen nicht aufgeräumter Steinschläge mehr oder weniger nicht mehr befahrbar, sodass ich mehr als die Hälfte der Strecke schiebe. Das ist aber nicht schlimm, denn die Aussicht nach unten ins Tal ist trotz des zunehmend schlechten Wetters spektakulär. Oben angekommen halte ich am Aussichtspunkt Eira do Serrado. Inzwischen ist die Sicht noch schlechter geworden, sodass ich kein anständiges Foto mehr hinbekomme. Bei gutem Wetter ist die Aussicht hier aber wahrscheinlich atemberaubend.
Dann wird es Zeit, nach Funchal zurückzufahren, denn es wird immer kälter und regnerischer. Unten in der Stadt werde ich nochmal von zwei Hunden gejagt, diesmal hunderte Meter weit – und das, obwohl ich nicht gerade auf einer Nebenstraße fahre, wo auch ordentlich Verkehr herrscht. Irre gefährlich, vor allem auch wegen den Autos, da man ja vom Rad aus alles irgendwie koordinieren muss… Am Nachmittag verlängere ich meine Unterkunft bis zum Abreisetag. Ursprünglich hatte ich noch etwas anderes gebucht, was aber etwas außerhalb liegt und bei Vorbeifahrt mit dem Rad auch nicht gerade spektakulär aussah.
Dann ist es Zeit, das Rad abzugeben. Insgesamt waren es 3 intensive, erlebnisreiche Trainingstage. Auf dem Rückweg schaue ich mir noch die bekannte Statue von Weltfußballer Cristiano Ronaldo, der von Madeira stammt, unten am Hafen an (wobei die Statue selbst nicht gerade ein Meisterwerk ist). Abends bleibt heute viel Zeit, um mit den anderen zu quatschen. Und das ist hier im Vergleich zu anderen Reisen wirklich erstaunlich abwechslungsreich: Neben Sebastian (Polen), Mario (Portugal), Pedro (Brasilien) und Finnbar sind Gäste aus England, Frankreich, Irland, Kanada, Schweden und den USA hier.
5. Tag: Ruhetag in Funchal
Heute ist mein erster ruhiger Tag auf der Insel. Ich arbeite bis mittags am Notebook. Dann etwas durch die Stadt schlendern, den Steinstrand anschauen und Eis essen. Ich teste auch ein traditionelles Bolo do Caco, das mir Mario empfohlen hatte (eine Art Brot mit verschiedenen Füllungen). Nachmittags sind noch die Startunterlagen für den Marathon abzuholen, die es zufällig im Hotel fast neben meiner Unterkunft gibt. Dort gibt es auch ein Ticket zur Pasta Party in einem Restaurant an der Strandpromenade, was ich natürlich gleich einlöse. Bei Pasta und Bier stelle ich dort fest, dass es in der Stadt eine ziemliche Taubenplage gibt. Es sind einfach viel zu viele und passend zur Einstellung der einheimischen Hunde sind sie auch ziemlich frech.
Auf dem Rückweg dann doch noch etwas Sport. Ich gehe den langen, steilen Berg zum botanischen Garten hinauf. Dort angekommen lohnt es sich allerdings nicht mehr, den Eintritt zu zahlen, da es bald dunkel wird. Ich nehme den Bus nach unten. Dann finde ich noch ein interessantes Cafe, das von einem Mann aus Usbekistan betrieben wird. Ich quatsche etwas mit ihm und überlege, ob das vielleicht mal ein spannendes Reiseziel wäre.
Zurück in der Unterkunft dann noch ein skurriles Erlebnis: Ein alter, offensichtlich geistig verwirrter Mann hat eingecheckt und erscheint recht orientierungslos. Es ist ein Deutscher, der allein reist, aber eher den Eindruck macht, als wäre er aus einem Altersheim weggelaufen. Der Mann an der Rezeption wird die nächsten 2 Tage damit beschäftigt sein, jemanden zu kontaktieren, der ihn kennt und die Situation zu lösen.
6. Tag: Madeira Marathon
Zusammen mit Finbarr aus Irland, der auch den Marathon läuft, nehme ich den Bus zum Start. Das Rennen läuft gut, nur wird es auf der zweiten Hälfte zunehmend kühl, windig und regnerisch. Insgesamt laufe ich etwas zu schnell und komme mit 3:06 Stunden ins Ziel. Das ist immerhin Platz 4 in der Altersklasse und Platz 13 in der Gesamtwertung. Gar nicht mal schlecht für Januar. Den Rest des Tages verbringe ich locker und entspannt. Ich gehe Burger essen, kaufe meinen obligatorischen Kühlschrankmagneten, quatsche mit den anderen in der Unterkunft und gehe dann zeitig ins Bett, um dem Körper die wohlverdiente Erholung zu geben.
7. Tag: Ruhetag in Funchal
Heute ist Ausschlafen und Ausruhen angesagt. Beim Frühstück quatsche ich lange mit Pedro, der eventuell zum Studieren nach Deutschland kommt. Danach geht es kurz mit Finbarr zum Strand, um zumindest einmal kurz ins Meer zu springen. Das Wasser ist kalt, aber wir schwimmen trotzdem einmal in der kleinen Bucht hin und her, vielleicht 300 Meter. Dann drehe ich eine ganz kurze, lockere Runde an der Strandpromenade.
Nachmittags beginnt es zu regnen und das Wetter wird zunehmend schlechter, bis es abends heftig gewittert. Eine Frau aus der Unterkunft erzählt, dass sie heute für einen Ausflug oben am Berg war, aber es absolut nichts gebracht hat – schlechte Sicht und Schneefall. Da hatte ich echt Glück bei meiner Radtour, denn im Winter ist hier die niederschlagsreichste Zeit, und vor allem oben in den Bergen kann es durchaus unangenehm werden.
8. Tag: Rückflug nach Nürnberg
Morgens gehe ich eine Runde joggen und stelle fest, dass es sehr heftige Windböen gibt. Zum Teil komme ich kaum vorwärts und fliege dann in die Gegenrichtung fast davon. In der Unterkunft erzählt ein neu angereister Gast aus Österreich, dass am Vorabend so starker Wind war, dass die Flugzeuge nicht laden konnten und zur Nachbarinsel Porto Santo umgeleitet werden mussten.
Am späten Vormittag checke ich aus und nehme den Bus zum Flughafen. Dort habe ich noch einige Stunden Zeit zum Arbeiten, bevor es los geht. Kurz vor dem Start versprühen die Stewardessen irgendein Zeug, das Insekten abtöten soll, die sonst eventuell übertragbare Krankheiten einschleppen könnten. Eine neue Maßnahme der Gesundheitsbehörde. Man soll währenddessen die Augen schließen und Nase und Mund bedecken, aber man sagt gleichzeitig, dass es für Menschen völlig ungefährlich ist – skurril. Der Rest des Flugs ist dann aber entspannt.
Am späten Abend dann die Ankunft in Nürnberg. Mit meinem Handgepäck bin ich wieder schnell aus dem Terminal raus und erwische gerade noch die U-Bahn in die Stadt und dort sogar noch den besten Anschlusszug nach Würzburg. Statt wie geplant 3 Uhr nachts komme ich schon kurz nach 12 in Würzburg an.
Toller Bericht, vielen Dank! Das mit den Hunden macht mir Angst.
Würden die auch beißen?
Wir wollen Ende Oktober nach Madeira. Ich wollte mir ein Rennrad ausleihen… ?
LG Angelika
Hi Angelika, sorry für die späte Antwort! Ich hoffe, dass alles geklappt hat?! Ich glaube nicht, dass die Hunde beißen, da die Füße/Beine ja beim Treten die ganze Zeit in Bewegung sind. Aber es irritiert sehr und kann dazu führen, dass man zum Beispiel nicht mehr so gut auf den Straßenverkehr achtet etc… Am besten ist es wohl, anzuhalten und das Rad zwischen sich und den Hund zu halten.